Lebensraum Solnhofener Lagune
Teufelswerk Fossilien
Im Mittelalter wurde der Solnhofener Plattenkalk im Fundgebiet zwar als Baumaterial verwendet, die Fossilien wurden allerdings als "Teufelswerk" abgetan, was sich beispielsweise in der Bezeichnung "Eichstätter Spinnensteine" widerspiegelt. Mit dieser Umschreibung ist die freischwimmende Seelilie Saccocoma gemeint, die zum Teil sehr häufig auftritt. Die Ablagerungen wurden, dem strengen Glauben nach, der Sintflut zugeschrieben.

Eichstätter Spinnenstein - Aus Prof. Dr. Oskar Kuhn "Die Tierwelt des Solnhofener Schiefers
Anfänge der Forschung
Eine erste Erwähnung finden die Fossilien 1546 in dem Werk "De natura fossilium" von Georgius Agricola.
Die Erkenntnis das es sich um Meeresablagerungen handeln muss wurde 1730 erstmals von J.J. Baier publik gemacht, der die Eichstätter Spinnensteine als Seesterne deutete.
Als die Paläontologie als Wissenschaft entstand haben sich viele Wissenschaftler mit den Fossilien des Solnhofener Plattenkalkes auseinandergesetzt. Allerdings haben die meisten sich nur mit den Fossilien, nicht aber mit der Rekonstruktion des damaligen Lebensraumes, beschäftig.
Dies änderte sich natürlich als die Paläontologen anfingen sich nicht nur für die Fossilien, sondern auch für den damit zusammenhängenden Lebensraum zu interessieren, und so wurde versucht diesen zu rekonstruieren. Wenn man sich die Landschaft in der das Plattenkalkvorkommen liegt ansieht wird klar das es sich um Lagunen gehandelt haben muss, denn man findet an den Rändern des Vorkommens Riffstotzen. Daher ist klar, dass der Lebensraum der Solnhofener Lagunen vom offenen Meer, der Tethys, mehr oder weniger abgetrennt gewesen sein muss. Eben dieses „mehr oder weniger“ führte dazu, das einige Wissenschaftler angenommen haben dass diese Wannen zeitweise trocken fielen, oder dass es sich um ein von Ebbe und Flut zeitweilig überschwemmtes Gebiet gehandelt haben muss. Andere wiederum waren davon überzeugt dass die Lagunen stetig von Wasser bedeckt waren.

Riffstotzen (Dohlenfelsen) bei Konstein
Betrachten wir die Argumentationen von Prof. Dr. Oskar Kuhn, welcher überzeugt war das die Lagunen zeitweilig trocken fielen. Er brachte ins Feld, das die meisten Fossilien auf der Unterseite der Platten (hangende Schicht) liegen. Dies erklärte er damit, das der Organismus ,eingebracht durch eine Überschwemmung, sich nicht auf der trockenen vorhandenen Oberfläche ablagerte, sondern sich in den frischen, nassen Schlamm der sich über dem Organismus ablagert einbettet. Allerdings kann er das Fehlen von Trockenrissen, welche zweifelsohne beim Trocknen des Schlammes hätten entstehen müssen, nicht erklären. Interessanterweise deutete er Aufsetzmarken von Landlebewesen als Todeskampfspuren, wohingegen Rollmarken vom Ammoniten während der Flut entstanden sein sollen.
K. Werner Barthel hingegen argumentierte das die Solnhofener Launen ständig von Wasser bedeckt gewesen sein mussten. Hauptargument war zum einen das völlige Fehlen von Laufspuren landbewohnender Lebewesen, die bei einem Trockenfallen zu erwarten währen, und zum anderen die Tatsache das Fossilien dieser Lebewesen nur äußerst selten finden lassen. Das Argument das die Fossilien meist auf der hangenden Schicht kleben konnte er entkräften indem er zeigte das sich auf im Wasser befindliche Schichten Oberflächenhäutchen aus Tonmineralien bilden, welche tote Organismen nicht kräftig an sich bindet. So konnte die sich über dem Organismus bildende Schicht das jetzige Fossil einbetten.
Barthel ging davon aus das die Solnhofener Lagune ein komplett lebensfeindlicher Raum war, nur an den begrenzenden Riffen herrschten lebensfreundlichere Vorraussetzungen.
Heutige Deutungen
Heute hat sich das Bild wie es von Barthel gezeichnet wurde nur insofern verändert, das wir davon ausgehen das die oberen sauerstoffreichen Wasserschichten der Solnhofener Lagune durchaus lebensfreundlich waren. Nur die unteren Wasserschichten waren lebensfeindlich, da in diesen Wasserschichten der Sauerstoff fehlte und der Salzgehalt stark erhöht war.
Die Schichten der Solnhofener Plattenkalke, entstanden in einer Zeit, als in Süddeutschland noch ein ganz anderes Klima herrschte. Das Ausgangsmaterial der heutigen Gesteine war ursprünglich ein Kalkschlamm, der sich am Boden der Lagunen, in sog. Wannen, schichtweise ablagerte. Über die Jahrmillionen hinweg „versteinerten“ diese Schichten durch Mineralgenese zu ihrem heutigen bekannten Aussehen.
Die Plattenkalkwannen des Solnhofener Archipels waren von Riffstotzen gesäumt. Anders als heute, wo Korallen dominieren, waren im Jura vor allem Schwämme die wichtigsten Riffbauer. Diese Riffstotzen sind auch heute noch gut zu erkennen. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die sogenannten „Zwölf Apostel“ in der Nähe von Solnhofen oder der Dohlenfelsen bei Konstein.

Riffstotzen 12 Apostel bei Solnhofen
Während des Oberen Jura vor ca. 150 Mio. Jahren, zur Zeit der Sedimentablagerung, lag das Gebiet um Solnhofen viel weiter südlich als heute. Mit einer geographischen Breite von 25 – 30°N entspräche dies heute der Lage der Kanarischen Inseln. Durch diese äquatornahe Position im subtropischen Klimagürtel der Erde, ist es auch nicht verwunderlich, dass die damaligen Wassertemperaturen um die 26°C lagen und damit vergleichbar mit Temperaturen heutiger tropischer Gewässer sind. Durch das Fehlen vereister Polkappen zu jener Zeit, ist zudem davon auszugehen, dass das Klima weltweit viel wärmer und ausgeglichener war und es somit auch keinen richtigen Jahreszeitenwechsel gab.

Diese Rahmenbedingungen ermöglichten für eine Vielzahl von Organismen ideale Lebensbedingungen. Jedoch trifft dies nicht zu 100% auf den Lebensraum der Solnhofener Lagune zu. Durch ihre geschützte Lage, die durch Riffstotzen von anderen Lagunen sowie größtenteils auch vom offenen Meer, der Tethys, getrennt war, wurde ein größerer Wasseraustausch verhindert. Dieser Umstand, sowie das heiße, semi-aride Klima, führten zu einer erhöhten Verdunstungsrate im Bereich der Plattenkalk-Wanne. Dieser Effekt hatte zur Folge, dass es innerhalb der Wassersäule zu einer sogenannten Stockwerksbildung kam. Somit bildete sich in den tieferen Bereichen der Wanne eine hypersaline und sauerstoffarme bis sauerstofffreie Zone. In der gut durchlüfteten und weniger salzhaltigen Oberflächenzone hingegen, fanden Organismen mit planktonischer und nektonischer (freischwimmender) Lebensweise beste Bedingungen vor.
Von Zeit zu Zeit transportierten Monsunwinde aus Süd- bis Südosten frisches Meerwasser aus der Tethys über die Riffplattform und durchmischten somit die Wassersäule innerhalb der Plattenkalk-Wanne. Das aufgewirbelte anoxische Bodenwasser führte zum Tod vieler Lebewesen aus der oberen Zone, die zusammen mit verfrachteten Bodenbewohnern benachbarter Riffareale absanken und schnell durch den herab rieselnden Kalkschlamm eingebettet wurden. Durch Starkregenereignisse wurden zudem noch Pflanzenreste sowie Tierleichen von nicht allzu weit entfernten Festländern oder Inseln eingeschwemmt. Fliegende Insekten, Flugsaurier und wohl auch die Urvögel wurden während solchen Schlechtwetterperioden aus ihren eigentlichen Lebensraum über die Lagunen hinaus aufs offene Gewässer geweht, wo sie schließlich ertranken und ebenfalls am Wannenboden abgelagert wurden.
Somit vereinen die Solnhofener Plattenkalke eine einzigartige Grabgemeinschaft von Fossilien aus verschiedenen Arealen rings um die Lagune. Die rasche Einbettung im feinem Kalkschlamm und das fehlen jedwedem Bodenlebens ermöglichten die phantastische Fossilerhaltung.
Rekonstruktion
Wie kann man sich nun aber die Landschaft der Solnhofener Lagune vorstellen? Vielleicht ein wenig wie eine (jurassische) Südsee Landschaft, auch wenn diese Vorstellung wahrscheinlich nicht wissenschaftlich korrekt ist und eher unserer Phantasie entspringen mag.
